Stadtratsrede von OB Andreas Henke (LINKE) zur finanziellen Situation Halberstadts und zur Wohnungsgesellschaft HaWoGe

Andreas Henke

Rede von Oberbürgermeister Andreas Henke (LINKE) in der Sitzung des Stadtrates Halberstadt vom 23. Oktober 2008 zu den Themen Haushaltskonsolidierung und Wohnungsgesellschaft HaWoGe:

Sehr verehrter Präsident des Stadtrates, meine sehr verehrten Damen und Herren,
sehr geehrte Mitglieder des Stadtrates,

auch mich freut heute die rege Anteilnahme Ihrerseits an der Ratssitzung, und ich wünschte mir, dass alle Ratssitzungen solch ein Interesse bei den Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt fänden.

Aber das hat ja auch einen besagten Hintergrund und ich denke, wir sind uns einig in der Auffassung, dass gegenwärtig kein anderes Thema die öffentlich Meinung so beherrscht, wie ein möglicher Verkauf des Wohnungsbestandes der HaWoGe.

Mir ist durchaus bewusst, dass dies bei Mietern, bei Mitarbeitern des Unternehmens, bei den Handwerkern der Hawoge, bei verbundenen Unternehmen für Unverständnis, Empörung und Verunsicherung sorgt oder gar Ängste ausgelöst hat. Aber genau dies sollte eben vermieden werden.

Ich hatte deshalb die Vorsitzenden der Fraktionen und Ausschüsse gebeten, in ihren Fraktionen eine Tendenz zu ermitteln, die hätte erkennen lassen können, ob ein möglicher Verkauf der HaWoGe ein denkbarer Weg zur Haushaltskonsolidierung wäre und dementsprechend eine Mehrheit im Stadtrat gefunden hätte oder aber auch nicht.

Für mich waren solche Gespräche mit den Fraktionsvorsitzenden und in diesem Fall auch mit den Ausschussvorsitzenden immer eine Brücke zur Verständigung zur Kommunikation mit den Fraktionen, die auch durch ein gewisses gegenseitiges Vertrauen geprägt waren, was natürlich auch Voraussetzung solcher Gespräche ist.

Ich fände es bedauerlich, wenn das in Zukunft nicht mehr möglich sein sollte, wenn dadurch vielleicht der Anschein erweckt würde, als ginge es mir lediglich darum, irgendwelche Geheimstrategien oder Pläne durchzusetzen.

Das ist absurd, weil es A solche Geheimstrategien und Pläne nicht gibt, und B wird damit gehörig mein politischer Einfluss überschätzt.

Lassen Sie mich aber dennoch auf den Ausgangspunkt dieser Gespräche zurückkommen, und der liegt nun einmal in der Finanzsituation unserer Stadt. Sie, liebe Ratsmitglieder, kennen die Zahlen.

Es wäre müßig, sie heute nochmals alle zu nennen. Und Sie, liebe Gäste, möchte ich von den vielen Zahlenkolonnen, die sehr eindrucksvoll auch die finanzielle Situation unserer Stadt beschreiben, möchte ich davon verschonen. Aber ich möchte es mit wenigen Worten beschreiben:

Seit 2003 geben wir in Halberstadt mehr Geld aus, als wir einnehmen. Wir finanzieren unsere Leistungen seit mehreren Jahren über einen Kassenkredit. Diese Art der Finanzierung ist ein Krisenindikator ersten Ranges, wie er deutlicher nicht mehr sein kann.

Doch an der Stelle sage ich eindeutig, jede Schuldzuweisung für das Entstehen, für das Entstandensein dieser Situation verbietet sich an dieser Stelle. Weder Stadträte aus vorangegangenen Wahlperioden, noch einer meiner Amtsvorgänger haben das Geld bisher gedankenlos zum Fenster raus geschmissen. Ich denke, um das zu untermauern, genügt ein Gang durch unsere Stadt mit offenem, mit wachsamem, mit bewusstem Blick.

Wir wären städtebaulich und infrastrukturell nicht da, wo wir heute sind, wenn die seinerzeitigen Entscheidungen nicht getroffen worden wären. Und auch da werden Sie mir zustimmen, der sichtbare, der wahrnehmbare Erfolg in unsere Stadt ist Beleg für die Richtigkeit für diese Entscheidungen. Dennoch, wie alle zahlen einen sehr hohen Preis dafür.

Die Schuldenlast drückt uns immens und hemmt uns schon heute, weitere notwendige Dinge auf den Weg zu bringen, sowohl städtebaulich, bei Werterhaltungsmaßnahmen oder interstrukturelle. Sie kennen die Alte Weisheit: `Wer etwas will, findet Wege, wer etwas nicht will, findet Gründe`.

Ich meine, es ist wieder an der Zeit, notwendige Entscheidungen für die Zukunftsfähigkeit unserer Stadt zu treffen. Unsere Stadt kann nur dann dauerhaft zukunftsfähig sein, wenn sie auch dauerhaft leistungsfähig ist. Und eben diese Leistungsfähigkeit, und das ist mit Sicherheit so, meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Leistungsfähigkeit ist in Gefahr. Sie ist endlich. Und dieser Zeitpunkt liegt in verdammt greifbarer Nähe. Noch können wir gemeinsam und noch müssen wir gemeinsam nach Wegen suchen, die das möglich machen.

Und je später wir Wirkungen erzielen, desto schmerzhafter können die Entscheidungen werden. Ich erachte es als meine Pflicht, im Interesse aller Einwohner dieser Stadt auf die Dringlichkeit dieser entscheidungsbedürftigen Situation hinzuweisen und darauf aufmerksam zu machen. Ob aber die Handlungsfähigkeit unserer Stadt und damit weitere Stadtentwicklung nur möglich ist, wenn wir kommunales Vermögen veräußern, das sollte auch in der gemeinsamen Diskussion nicht ausgespart werden.

Ob es dabei zu einem Verkauf der HaWoGe kommt, ist völlig offen, ist längst nicht entschieden und ist ohnehin auf Grund der derzeitigen eingetretenen internationalen Finanz- und Immobiliensituation in weite Ferne gerückt. Darüber hinaus ist es auch nicht meine alleinige Entscheidung. Dabei sollten alle positiven aber auch alle negativen Aspekte im gegenseitigen Abwägen Einfluss finden. Auch auf diese negativen Wirkungen habe ich in diesem besagten Gespräch mit den Fraktionsvorsitzenden hingewiesen.

Und ich kann Ihnen abschließend versichern, ich bin der Letzte, der sich einer demokratischen Willensbildung verschließt. Bei einer Entscheidung dieser Tragweite ist ein Bürgerentscheid, vielleicht im sogenannten Superwahljahr 2009, auch eine Möglichkeit, das Interesse der Bürgerinnen und Bürger und damit auch ein Handeln derer, die eine Entscheidung treffen, zu legitimieren.

Ich bitte Sie herzlich, sich in diese Diskussion in den folgenden Wochen und Monaten einzubringen und lade Sie nochmals herzlich ein. Nutzen Sie die Gelegenheit am 12. November in den Großen Saal unseres Theaters zu kommen, um mit uns gemeinsam zu diskutieren, wie und unter welchen Bedingungen Stadtentwicklung in Halberstadt in Zukunft denkbar und möglich sein wird.

Vielen Dank.

Oberbürgermeister Andreas Henke in der Stadtratssitzung am 23. Oktober 2008